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Zum ersten Mal auf diesem Planeten:

Einer Millionen-Metropole

drohte 2018 die Apokalypse

Von Meinrad Heck (Journalist & Gastautor)


Es regnete nicht mehr. Zuerst über Wochen, dann über Monate und dann über Jahre. 2015 begann die Katastrophe. Dabei war das südafrikanische Kapstadt mit seiner reichen immer so grünen Flora und Fauna in prächtigen Parks und riesigen Naturreservaten vom Regen verwöhnt, in den Winterstürmen sogar eher geplagt. Und plötzlich kein Tropfen mehr. Das Level in den riesigen Trinkwasserdämmen im Hinterland sank und sank und sank. Erst kamen kleinere Einschränkungen. Kein Wassertausch in Swimmingpools mehr, Garten und Golfplatz nur noch alle drei Tage bewässern, dann nur noch einmal die Woche, dann gar nicht mehr. 4,3 Millionen Einwohnern am Kap der Guten Hoffnung drohte 2018 die Apokalypse. Der ersten Millionen-Metropole auf unserem Planeten drohte das Wasser nicht nur knapp zu werden, sondern auszugehen.


In den Touristenspots entlang der so beliebten Garden Route setzte schon ein Funke ganze Hänge und Waldstriche in Brand. Dutzende Menschen verbrannten in ihren Häusern und Hütten. Notfallpläne wurden geschmiedet. Initiativen gestartet. Es ging nicht mehr um „drink water“ es ging um „think water“ – denkt an das Wasser. Der Pro-Kopf-Verbrauch wurde in mehreren Monaten zuerst auf 100, dann auf 75 und später 50 Liter Wasser am Tag gesenkt. Wer nicht freiwillig mitmachte, dessen hoher Wasserverbrauch erschien auf einer interaktiven website, und jeder konnte mit dem Finger auf ihn zeigen. Das war eine drastische Maßnahme, aber sie half durchaus.


Toiletten? Bitte nicht mehr spülen, hieß es. Essgeschirr zuhause oder in Restaurants? Pappgeschirr, um sich das Spülen zu sparen. Je weniger Wasser durch das Leitungsnetz floss, desto mehr vermehrten sich Bakterien und Keime. Die Zahl der Durchfallerkrankungen stieg rasant, aber in den öffentlichen Krankenhäusern war immer weniger Gesundheitsversorgung möglich, weil Ärzte und Krankenschwestern nicht mehr zur Arbeit erschienen - sie warteten stattdessen mit Flaschen und Kanistern wie unzählige andere an den wenigen öffentlichen Brunnen auf frisches Wasser.


Im April 2018 drohte der „Day zero“. Die Dämme waren nur noch zu knapp über 20 Prozent gefüllt. Dieser "Day zero" -  die Stunde null - sollte ausgerufen werden, wenn der Füllstand der Trinkwasserdämme unter 13,5 % sinken würde. Dann würde die öffentliche Wasserversorgung im Netz abgestellt werden. Und ab dann würden über 4 Millionen Menschen an 250 von der Armee eingerichteten und bewachten zentralen Verteilungsstellen ihre Tagesration von nur noch 25 Litern Wasser pro Kopf persönlich abholen müssen. Für kriminelle Gangs wäre auf ihren Raubzügen nicht mehr das Geld aus irgendwelchen Banktresoren interessant gewesen, sondern jene 25 Liter Wasser, welche eine vielleicht alte gebrechliche und schutzlose Frau alleine über mehrere Kilometer in brütender Hitze nach Hause schleppt. So sieht Apokalypse aus. Und sie bleibt eine sehr reale Bedrohung ...


Dass es im April 2018 (noch) nicht dazu kam, lag an ein paar unerwartet ergiebigen Regengüssen weit weg von der Millionenmetropole im bergigen Hinterland. Das alleine hätte noch nicht geholfen. Geholfen hatte die Entscheidung einer Vereinigung von Farmern, ihre plötzlich prall gefüllten Wassereservoirs für ihre zigtausend Hektar großen Farmen zu leeren, und das Wasser in Kanälen nach Kapstadt zu leiten. 10 Milliarden Liter Wasser flossen so im Februar 2018 in Kapstadts Dämme.


Die Ursachen der Katastrophe waren laut Wissenschaft das Klimaphänomen El Ninjo und der fortschreitende Klimawandel, der für die größte Dürreperiode seit 1933 gesorgt hatte. 2017 war in der Region das trockenste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Die Ursachen lagen auch im Gerangel inkompetenter Politiker und in einer ausufernden und korrupten Bürokratie, welche helfende Initiativen nicht ermöglichte, sondern verhinderte. Die Ursachen hatten und haben aber vor allem einen globalen Aspekt: Die fehlende kluge Weitsicht von Entscheidungsträgern, der Natur wieder Luft zum Atmen zu lassen oder zu geben. Durch die Dürreperiode und ihre Folgen wurden allein in der Metropolregion um Kapstadt 300.000 Arbeitsplätze vernichtet. 50.000 weitere Menschen waren in der Statistik plötzlich unterhalb der Armutsgrenze. Die apokaplyptische „Stunde null“ wurde nicht aufgehoben, sondern vorerst auf unbestimmte Zeit verschoben.


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